Flache Herrenwitze, entblösste Frauen – das gehört der Vergangenheit an, erklärt der «Blick» in seiner heutigen Ausgabe zum 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts. Wir reiben uns ungläubig die Augen und lesen weiter:
«Inzwischen sind 50 Jahre vergangen. Vieles hat sich zum Glück verändert – auch der BLICK. Die Doppeldeutigkeit von einst ist einer Eindeutigkeit gewichen, Sexismus und andere Formen von Diskriminierung haben im Blick keinen Platz mehr.»
Aha. Meint ihr das ernst, oder ist das eine Satire-Ausgabe?
Beim Weiterlesen wird klar: Der «Blick» meint’s ernst. Eigentlich, so ihre Argumentation, sei man schon 1971 total «progressiv» gewesen und habe sich schon immer «für die Frauen stark» gemacht.
Alles klar. Das Boulevardblatt wurde wohl immer falsch verstanden. Frau in Unterwäsche, Frau in Bikini, Frau halbnackt, Frau ganz nackt – das war immer für die Sache der Frauen gemeint.
Zum Beispiel dieser Beitrag vom Juni 2016:
Hier will «Blick» offensichtlich – sehr subversiv – die despektierliche Rolle der Frau als «Sexobjekt» thematisieren.
Oder hier, Dezember 2020:
Es soll hier wohl die Reproduktion von geschlechtsspezifischen Rollenbildern aufgezeigt werden – ganz selbstreflexiv.
Und hier, April 2020:
Sexismus beim Namen nennen: Der Mann wird im Titel namentlich erwähnt, der Körper der Frau erhält dafür vom Blattmacher deutlich mehr Platz – das meint ihr wohl damit, wenn laut eurer EqualVoice-Richtlinie «Frauen in der Berichterstattung mehr Gewicht erhalten» sollen!
Weiter in der Kategorie passende Täterbeschreibungen. Hier ein Beispiel vom Dezember 2020:
Um was es im Artikel wirklich geht: eine versuchte Vergewaltigung. Der Begriff «Sex-Angreifer» soll wohl… Nein, das kann jetzt definitiv nicht als «für die Frauen stark machen» oder «progressiv» gewertet werden. Das ist schlicht Verharmlosung und Clickbaiting (der Begriff «Sex» wird mehr geklickt und erscheint bei Google weiter oben).
Oder hier, September 2018:
Bei sexuellem Missbrauch von «Sex-Täter» sprechen – das ist Verharmlosung und Sexismus. Mit «progressiv» für die Sache der Frau hat das nichts zu tun. Punkt.
Und war da nicht noch ein Fall von sexistischer Berichterstattung? Das liegt auch nicht so lange zurück, dass man von entfernter Vergangenheit sprechen könnte. Beispiel vom September 2015:
Das war ein unrühmlicher Höhepunkt sexistischer Berichterstattung, die auch gerichtlich wegen Persönlichkeitsverletzung verurteilt wurde. Voyeurismus pur.
Okay, es hat sich seither ein bisschen etwas geändert. Ihr habt auch das «Blick»-Girl gestrichen. Aber Sexismus soll kein Platz mehr bei euch haben? Das ist lächerlich.
Gratistipp von uns: Wenn ihr euch wirklich für Frauen stark machen wollt, veranstaltet keinen Marketing-Gag, um euch feministisch zu inszenieren, sondern ändert eure Berichterstattung.
(Jeremias Schulthess und Rebecca Farner, veröffentlicht 1.2.2021)