Ein Interview mit Alt-Bundesrat Ueli Maurer gelangte vor kurzem in die Schlagzeilen, weil er sich darin skeptisch zu den Corona-Massnahmen äusserte und von einer «Massenhypnose» sprach. Das Interview gab er dem Alternativmedium «Hoch2 TV», welches bis dato kaum bekannt war.
Wer steckt hinter dem neuen Sender und was wird dort verbreitet?
Beschränkte Reichweite trotz Medienrummel
«Hoch2 TV» bedankte sich handkehrum für den Medienrummel, der durch das Interview mit Ueli Maurer entstand, allerdings scheint die Berichterstattung der «NZZ am Sonntag» nicht zu einem Zuwachs bei den Social-Media-Abonnenten geführt zu haben, wie zum Beispiel ein Blick auf die Zahl der Telegram-Subscriber zeigt.
Doch auch wenn die Subscriber-Zahlen gegenwärtig noch überschaubar sind – zum Vergleich: das grösste Schweizer Alternativmedium «Uncut News» hat 92’718 Subscriber auf Telegram – zeichnet sich ein langfristiger Aufwärtstrend ab.
Zwischen Verschwörungstheorien, rechtsextremer Rhetorik und etablierter Wissenschaft
Inhaltlich bedient «Hoch2 TV» unter anderem Verschwörungsnarrative vor allem in Zusammenhang mit den Corona-Massnahmen und der Corona-Impfung – um dieses Thema drehte sich auch das Gespräch mit Ueli Maurer.
Darüber hinaus zeichnet sich eine gewisse Nähe zur SVP ab. Philipp Gut, der im Herbst letzten Jahres für die SVP für den Nationalrat kandidierte, ist Moderator bei «Hoch2 TV». Ausserdem sind SVP-Politiker:innen häufig Gast in seiner Sendung. Dass Gut SVP-Nationalratskandidat war, wird nicht ausgewiesen, wenn er SVP Exponent:innen wie Ueli Maurer, Marcel Dettling oder Sarah Regez interviewt.
Ein SVP-Nationalratskandidat, der SVP-Politiker:innen interviewt, ohne dass dies deklariert wird – ist das noch Journalismus? Dies hätten wir gerne von den Verantwortlichen von «Hoch2 TV» erfahren. Diese wollten zu den Fragen keine Stellung nehmen. Man weile gerade in den Ferien. Dass es sich bei «Hoch2» um ein SVP-gestütztes Medium handle, «könnte nicht weiter weg von der Wahrheit liegen», schreibt Patrick Castelberg, der im Verwaltungsrat des Unternehmens sitzt und selbst einige Sendungen moderiert.
«Hoch2 TV» bot auch schon Rechtsextremen eine Plattform. Zum Beispiel Martin Sellner von der «Identitären Bewegung», der in Deutschland gegenwärtig im Zentrum der Recherche um einen «Geheimplan gegen Deutschland» steht. Sellner kann im Verlauf des Interviews seine Ansichten weitgehend unwidersprochen verbreiten, zum Beispiel, dass die Scharia in Europa eingeführt werden könnte und dass schon bald ein demografischer Kipppunkt erreicht sei, bei dem die Bevölkerung mit Migrationshintergrund in der Mehrheit sei. Dabei stützt er sich auf zweifelhafte Quellen. Diese Aussagen werden von Moderator Gut nicht bloss ohne Widerspruch hingenommen, sondern sogar als «wissenschaftlich» bezeichnet.
Auch Ken Jebsen, der klar dem verschwörungstheoretischen Spektrum zugeordnet werden kann, trat schon bei «Hoch2 TV» auf.
Auch SRF-Experten zu Gast
Umso mehr überrascht es, dass auch schon etablierte Politologen, die regelmässig beim SRF als Experten auftreten, bei «Hoch2 TV» zu Gast waren. Diese Durchmischung wirft Fragen auf, weil etablierte Persönlichkeiten aus der Wissenschaft neben Anhängern von Verschwörungstheorien und Rechtsextremen platziert werden. Dies trägt dazu bei, dass die Grenzen zwischen fundierten Fakten, unbegründeten Behauptungen und rechtsextremer Rhetorik verschwimmen.
Dem stimmt auch Vinzenz Wyss, Professor für Journalistik an der ZHAW, zu. Dennoch sei es wichtig, den Grundsatz der Vielfalt zu berücksichtigen, was bedeute, dass «möglichst viele Stimmen und Perspektiven zu Wort kommen». Zudem sei das Publikum nicht zu bevormunden.
Auch das SRF sieht es nicht als problematisch an, wenn Experten aus den eigenen Programmen in Medien mit zweifelhaftem Ruf auftreten. In einer Stellungnahme schreibt SRF, dass die Experten nicht bei SRF angestellt seien und ihre Auftritte deshalb Privatsache seien: «Sollte bei einem Experten, einer Expertin tatsächlich durch zahlreiche fragwürdige Auftritte oder Äusserungen ein Problem entstehen, dann müssten wir in diesem hypothetischen Fall auch bei SRF über die Bücher gehen.»
Ähnlich sehen das die beiden Experten, Lukas Golder und Michael Hermann, selbst. Golder schreibt: «Der Prozess mit dem von Philipp Gut für ‹Hoch2 TV› durchgeführten Video-Interview erfolgte fair und entsprach meines Erachtens den berufsethischen Normen.» Zudem distanziere er sich klar von extremistischen und verschwörungstheoretischen Inhalten.
Hermann schreibt, dass er sich zum Interview entschieden habe, «gerade auch weil ich dort ein Publikum mit einer anderen Sichtweise konfrontieren konnte, das über die klassischen Kanäle zum grössten Teil wohl nicht zugänglich ist».
Finanzierung bleibt unklar
Es ist nicht ganz klar, wie sich «Hoch2 TV» finanziert. Laut eigenen Angaben ist das Portal «zu 100 Prozent durch Spenden finanziert». Die «Hoch2 Medien Schweiz AG» ist jedoch weder als steuerbefreite Organisation eingetragen, noch ist davon in der Zweckbestimmung im Handelsregister etwas zu lesen. Auf Anfrage wollten sich die Betreiber von «Hoch2 TV» allerdings nicht dazu äussern.
Das Medienunternehmen wurde im Dezember 2022 gegründet, wobei Regina Castelberg und Patrick Castelberg im Verwaltungsrat sitzen. Beide sind auch Teil des Moderations-Teams und waren bereits beim Alternativmedium «Transition News» dabei. Dieses Medium bediente ähnliche Themen wie «Hoch2 TV». So waren unter anderem die Corona-Impfung und deren vermeintliche Spätfolgen ein zentraler Fokus der Berichterstattung. Es wurde beispielsweise behauptet, europäische Medien würden «Hand in Hand» arbeiten, um die durch die Corona-Impfung herbeigeführte hohe Übersterblichkeit zu verschleiern.
Dabei stützte sich das Portal unter anderem auf die Studie eines Physikers, die von DPA Faktencheck als unwissenschaftlich beurteilt wird. Die Impfung wird an anderer Stelle als «Gentherapie» bezeichnet. Eine weitere Behauptung, die bereits mehrfach widerlegt wurde.
Bei der Berichterstattung über den Ukraine-Krieg stützte sich «Transition News» auch auf das russische Portal «Russia Today». Dieser Sender verbreitet weitgehend russische Propaganda und wurde in der EU verboten, weil er als Bedrohung für die Europäische Sicherheit und Ordnung eingestuft wurde.
(Publiziert am 7.2.2024, Tobias König und Jeremias Schulthess)