Russland führt seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine eine Desinformations-Kampagne in Europa. Bisher standen vor allem Nachbarstaaten der Schweiz im Fokus. Nun mehren sich Hinweise, dass auch die Schweiz davon betroffen sein könnte.
So zeigt ein Artikel von «Nau.ch» auf, dass RT DE auf seiner Website Schweizer Social-Media-Kanäle imitiert. Auf dem Newsportal des russischen Propaganda-Senders erschienen in den vergangenen Wochen wiederholt Artikel, unter dem Namen «Szene isch Züri» (Beispiele hier und hier). Die Inhalte dieser Artikel sind hetzerisch und zielen unter anderem gegen ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz.
«Szene isch Züri» ist tatsächlich ein populärer Schweizer Social-Media-Kanal, der auf Plattformen wie Instagram und TikTok Kurioses über die Grossstadt Zürich postet. Er distanziert sich klar von den Artikeln auf RT DE und prüft nun rechtliche Schritte.
Da Nachrichtenportale wie RT DE in europäischen Ländern gezielt Propaganda verbreiteten, mit dem Ziel die westliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen, wurden sie schon vor Jahren in der EU verboten – nicht jedoch in der Schweiz.
Weshalb imitiert also RT DE Schweizer Social-Media-Kanäle und wieso ist diese Entwicklung für die Schweiz besorgniserregend?
Vorgehen mit System
Das Vorgehen des Kremls hat System und wurde bereits in Nachbarländer erfolgreich praktiziert. Eine Desinformations-Kampagne, bekannt unter dem Namen «Operation Doppelgänger», imitiert authentische Websites – sei es von Nachrichtenportalen oder öffentlichen Institutionen – und verbreitet so anti-ukrainische, pro-russische oder reisserische Inhalte, die darauf abzielen, die westliche Gesellschaft zu spalten.
Ein beunruhigendes Beispiel für die Effektivität dieser Kampagne war die im letzten Jahr in Frankreich verbreitete Panik wegen Bettwanzen. Obwohl Bettwanzen in Frankreich ein reales Problem darstellen, waren sie nie eine ernsthafte Gesundheitsbedrohung. Die Desinformations-Kampagne nutzte dieses Thema jedoch, um durch gefälschte Berichte und die Imitation etablierter Medien anti-ukrainische Propaganda zu verbreiten und gleichzeitig das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der traditionellen Medien zu untergraben.
Schweizer Nachrichtendienst kommt an seine Grenzen
Nun stellt sich die Frage, ob die Schweiz auch von dieser Desinformations-Operation betroffen sein könnte. Es gibt Hinweise darauf, jedoch scheinen die rechtlichen Grundlagen in der Schweiz nicht auszureichen, um diesen Hinweisen nachzugehen und der Bedrohung effektiv entgegenzuwirken.
Letzten Monat berichtete etwa die «Aargauer Zeitung», dass Mitarbeitende des Schweizer Geheimdienstes, des Nachrichtendienst des Bundes (NDB) klagen, die Gefahr, die von russischer Desinformation in der Schweiz ausgehe, werde unterschätzt.
Auf Anfrage hält sich der NDB zurück und verweist auf den Sicherheitsbericht, der im Juni des letzten Jahres publiziert wurde. Darin steht, «die Bedrohung der Schweiz durch Spionage» sei hoch «insbesondere von den Nachrichtendiensten Russlands und Chinas». Zudem seien in den letzten Jahren zahlreiche russische Spione aus europäischen Staaten ausgewiesen worden – jedoch nicht aus der Schweiz.
Etwa ein Drittel des russischen diplomatischen Personals in Genf und Bern würde für den Geheimdienst arbeiten. Das sind etwa 73 Personen. Ferner erhalte der NDB regelmässig Hinweise auf Beeinflussungs-Aktivitäten «ausländischer Mächte», er dürfe diesen Hinweisen aber in den meisten Fällen aus rechtlichen Gründen nicht nachgehen.
In der Stellungnahme verweist der NDB des Weiteren auf eine Interpellation aus dem Jahre 2018 in der der Bundesrat die potenzielle Gefahr von Desinformationskampagnen für die Meinungsbildung anerkennt, jedoch schlussfolgert, «dass der gegenwärtige rechtliche Rahmen die Bekämpfung von Falschinformationen ermöglicht».
(Publiziert am 11.4.2024, Tobias König)