Martina Fehr (47) ist Präsidentin der Stiftung «Schweizer Presserat», dem Steuerungsorgan des Presserats. Im Hauptberuf ist die die Direktorin der Schweizer Journalistenschule MAZ in Luzern.
Frau Fehr, was beschäftigt den Presserat zurzeit?
Es gibt ein Thema, das brennt: Das ist die Finanzierung.
Mit dem Medienpaket, über das wir am 13. Februar abstimmen, soll auch der Presserat unterstützt werden. Wie sehen Sie dieser Abstimmung entgegen?
Es wäre sehr hilfreich, wenn diese Unterstützungsgelder an den Presserat gesprochen werden. Wir haben uns aber immer gesagt: Wir können nicht einfach daraufsetzen, dass dieses Geld kommt. Es ist eine umstrittene Vorlage, das Paket ist ein gut schweizerischer Kompromiss.
Was macht der Presserat, wenn das Paket scheitert?
Unsere Situation ist deshalb prekär, weil die Beschwerden an den Presserat extrem zugenommen haben und wir nicht wesentlich mehr Ressourcen haben. Wir sind laufend daran, zu schauen, wie wir uns aufstellen können, zum Beispiel mit der Gründung eines Gönnervereins, so dass wir uns in eine andere finanzielle Lage bringen können. Wenn uns dies nicht gelingt, dann können wir unsere Dienstleistung nicht mehr so wie bisher erbringen. Wir müssten wohl Hürden einbauen, die dazu führen, dass wir nicht mehr jede Beschwerde annehmen – aber ist das Letzte, was wir wollen.
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An welche Art von Hürden denken Sie etwa?
Damit haben wir uns ehrlich gesagt noch überhaupt nicht beschäftigt – es täte brutal weh. Die niederschwellige Arbeit, dass jedermann und jedefrau ohne Anwalt eine Beschwerde einreichen kann, das ist ja das Geniale am Presserat. Wir haben auch noch etwas anderes angeschaut, das Teil einer Lösung sein könnte: Die Presseräte in Deutschland und Norwegen haben ihr Verfahren digitalisiert. Dadurch konnten sie viel mehr Fälle mit den gleichen Ressourcen abarbeiten. Dort kann man die Beschwerden online eingeben, das erspart sehr viel Arbeit. Wir versuchen uns laufend weiter zu entwickeln, damit wir handlungsfähig bleiben.
Die Unterstützungsgelder aus dem Medienpaket würden dabei helfen?
Wir wissen nicht, wie hoch die Gelder ausfallen würden. Im Moment erhalten wir 50’000 Franken vom Bakom. Eine Verdoppelung wäre natürlich super. Aber klar ist für uns: Wir müssen den grössten Teil der Finanzierung nach wie vor selber bewältigen. Wenn die Zahl der Beschwerden weiter steigt – und davon ist auszugehen – müssen wir so oder so über die Finanzierung sprechen.
Also ist die Abstimmung keine Existenzfrage?
Wir werden in diesem Jahr ein Defizit schreiben – und es wird in den nächsten Jahren nicht besser werden. Unsere Dienstleistung, die wir jetzt anbieten, könnten wir bei dieser finanziellen Lage nicht mehr weiterführen.
Was der Presserat tut
Der Presserat überprüft die Einhaltung des Journalistenkodex. Jede:r kann beim Presserat eine Beschwerde gegen einen oder mehrere Medienbeiträge einreichen, die anschliessend vom Presserats-Präsidium oder den Presseratskammern beurteilt werden. In seinen ausführlichen Stellungnahmen erklärt der Presserat anschliessend – meistens zwischen sechs und zwölf Monaten nach Einreichen der Beschwerde – ob der Beitrag gegen den Journalistenkodex verstossen hat oder nicht. Wenn eine Richtlinie verletzt wurde, ist das Medium verpflichtet, die Presserats-Stellungnahme zu thematisieren. Sanktionen oder anderweitige Konsequenzen kann der Presserat jedoch nicht aussprechen. Er stellt eine nichtjuristische, brancheneigene Kontrollinstanz dar.
Der Presserat war bis anhin eine Organisation zur Selbstregulierung der Medien. Erachten Sie es da nicht als problematisch, wenn nun Geld vom Staat fliesst?
Das Bakom unterstützt bereits unsere Aus- und Weiterbildungen. Problematisch wäre es, wenn das Bakom im Stiftungsrat oder in den Presseratskammern vertreten wäre. Das wird aber nie der Fall sein. Es gibt einen Auftrag, eine Verfügung für die Dienstleistung, die wir erbringen – ich sehe nicht, wo da der Staat intervenieren könnte.
Warum zahlen nicht die Verlage und Gewerkschaften mehr an den Presserat, wenn es so viel mehr Beschwerden gibt?
Das ist extrem schwierig. Vieles ist über unser Statut geregelt, zum Beispiel wie viele Stiftungsratssitze pro Geldgeber vergeben werden. Ausserdem müssen die Gewerkschaften und Verlage selbst sehr genau schauen, wie viel sie ausgeben. Zu den Beschwerden, die immer zahlreicher werden: Es geht auch nicht darum, dass wir möglichst viele Beschwerden abarbeiten. Wir sollten vor allem auch die Journalist:innen befähigen, sie mit Schulungen begleiten, damit sie ihr Handwerk und die Richtlinien so gut im Griff haben, dass viel weniger Regelverletzungen passieren. Wir verstehen uns auch nicht als reines Abstrafungsgremium.
Zum Paket insgesamt: Was ändert sich an der journalistischen Qualität nach einem Ja und nach einem Nein?
Die Hoffnung ist, dass die kleinen und mittleren Verlage nach einem Ja eine bessere Planbarkeit auf die nächsten sieben Jahre hinaus haben und auch ihre Journalist:innen in Weiterbildungen schicken können. Ein Ja wäre auch ein schönes Bekenntnis dafür, dass man in diesem Land eine starke Medienlandschaft will und alles dafür tut, um die Vielfältigkeit in den Regionen zu erhalten.
(Publiziert am 25.1.2022, Jeremias Schulthess)