Die Sensationspresse war für Prinzessin Diana eine permanente, aber weitgehend unsichtbare Bedrohung. So zeigt es der soeben erschienene Kinofilm «Spencer», der das Drama um ihre Person anhand der Weihnachtstage 1991 nacherzählt.
Der Film, in dem Kristen Stewart Diana verkörpert, zeigt an einigen Stellen den Horror, den die Prinzessin mit den Medien erlebte. So wurden beispielsweise die Vorhänge in ihrem Zimmer zugenäht, weil der Hof befürchtet, dass Paparazzi sie unbekleidet am Fenster ablichten könnten.
Die Journalistenmeute war ein stetiger Begleiter Dianas. Viele Medienskandale bleiben im Film jedoch unerwähnt.
Einer davon, der erst kürzlich aufgearbeitet wurde, erzählen wir an dieser Stelle nach. Der Fall zeigt, wie selbst die BBC als öffentlich-rechtlicher Sender und Flaggschiff der seriösen Berichterstattung an den Medienskandalen munter mitwirkte.
Im November 1995, zwei Jahre vor ihrem Tod, gab Diana der BBC ein Interview, das ihr Leben veränderte. Sie äusserte sich darin das erste Mal öffentlich über die Affäre ihres Ehemanns Prinz Charles. Sie sagte wörtlich: «Well, there were three of us in this marriage, so it was a bit crowded.» («Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe – deshalb war es ein bisschen überfüllt.»)
Dieser Satz sollte in die Annalen der englischen Fernsehgeschichte eingehen. Unter welchen skandalösen Umständen das Interview zustande kam, blieb jedoch lange Zeit wenig bekannt.
Der BBC-Journalist Martin Bashir führte das Interview unter grosser Geheimhaltung durch. Viele der BBC-Zuständigen wussten davon bis zur Ausstrahlung nichts – Bashir befürchtete, dass die Ausstrahlung verhindert werden könnte.
Um Dianas Vertrauen zu gewinnen und sie für ein Interview zu überzeugen, wendete Bashir unlautere Mittel an. Er gab ihr gegenüber verschiedene Vorwürfe an, gegen die sie sich im Interview wehren könne. Zum Beispiel gab Bashir an, Mitarbeiter des Palasts würden Medienschaffenden für Geld Informationen weitergeben.
Ein weiterer Vorwurf war, dass Prinz Charles eine Affäre mit der Nanny von William und Harry gehabt habe. Als Beweis dafür zeigte Bashir gefälschte Dokumente: Bankauszüge, die die Geldannahme der Palastmitarbeiter belegen sollten und angeblich sogar eine gefälschte Abtreibungsquittung der Nanny.
Die Vorwürfe waren jedoch erfunden, um Diana zu einem Interview zu kriegen. Dass die Dokumente gefälscht waren, gab ein Grafiker der BBC erst kürzlich zu.
Dass Bashir Diana mit falschen Vorwürfen köderte, flog 1996 durch einen Bericht in der «Mail on Sunday» auf. Die BBC stellte sich immer hinter ihren Journalisten und gab intern die Direktive aus, falls jemand nach Bashir fragen sollte, als Standardantwort zu geben: «Das ist uninteressant». Diese Linie vertrat die BBC bis 2020.
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Bashir musste aufgrund des Skandalinterviews keine Konsequenzen tragen. Er hörte 2021 bei der BBC auf – angeblich aufgrund gesundheitlicher Probleme. Kurz zuvor hatte ein früherer Richter des obersten Gerichtshofs einen Untersuchungsbericht zum Fall publiziert. Darin warf der Richter BBC betrügerisches Verhalten vor. Die Richtlinien zur Integrität und Transparenz seien nicht eingehalten worden.
Bashir und die BBC entschuldigten sich 2020 bei Prinz Charles und Dianas Bruder Earl Spencer. Der 64-jährige Journalist hat die Fälschungen mittlerweile zugegeben, behauptet aber, diese hätten keinen Einfluss auf Dianas Zustimmung zum Interview gehabt.
Das Vortäuschen falscher Tatsachen für die Erlangung von Informationen – oder in diesem Fall für den Erhalt des Interviews – ist Journalist:innen untersagt. In der Schweiz ist dies beispielsweise durch die «Erklärung der Pflichten der Journalistinnen und Journalisten» geregelt. In dieser Selbstverpflichtung, die der Presserat überwacht, heisst es: «Sie [die Journalist:innen; Anm. Fairmedia] bedienen sich bei der Beschaffung von Informationen, Tönen, Bildern und Dokumenten keiner unlauteren Methoden.»
Der «British Press Council», das Pendant zum Presserat, kennt einen ähnlichen Passus. Doch obschon das Organ nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorbild für Presseräte in anderen Ländern galt, kann die Kontrolle der Medien in Grossbritannien seit den 1980er Jahren als gescheitert gesehen werden. Es herrschen weitgehend Wild-West-Zustände ohne Sheriff – was mitunter der Grund dafür war, dass der Fall Bashir lange Jahre nicht wirklich aufgearbeitet wurde.
In der Rubrik «Hinter der Schlagzeile» erzählen wir in loser Folge die Geschichten von Menschen, die von Medien an den Pranger gestellt, vorverurteilt oder schlicht unfair behandelt wurden. Dies können – wie in diesem Fall – sehr prominente Menschen sein, aber auch Personen, die noch nie mit Medien zutun hatten.
(Publiziert am 26.1.2022, Michael Habicht)