Der Blick berichtete am 24. Dezember 2014 mit Bild und Namensnennung über Jolanda Spiess-Hegglin und einen weiteren Zuger Kantonsrat. Der Titel des Artikels: „Hat er sie geschändet?“ Thema waren die Geschehnisse der mittlerweile landesweit bekannte Zuger Landammanfeier vom 20. Dezember 2014. Jolanda Spiess-Hegglin beschreibt, wie sie den Tag der Publikation erlebte und welche Auswirkungen dieser Artikel hatte, der eine private Angelegenheit gegen den Willen beider Beteiligten an die grosse Öffentlichkeit brachte.
August 2017
Frau Spiess-Hegglin, am 23. Dezember 2014, am Tag vor der Veröffentlichung des fraglichen Blick-Artikels wurde Ihr Mann von einer Blick-Journalistin kontaktiert, die nach Ihnen gefragt hat. Haben Sie zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vorstellung gehabt, was auf Sie zukommen könnte?
Ich habe nie und nimmer geahnt, was auf mich zukommen würde. Vielmehr bin ich aufgrund meiner früheren journalistischen Tätigkeit davon ausgegangen, dass eine solche Geschichte aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gar nicht zulässig ist.
Die Geschichte erschien trotzdem. Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie diesen Artikel sehen?
Das Foto von mir, obwohl es eigentlich ein gutes wäre, kann ich nicht mehr sehen. Auch die grossen Lettern schaudern mich. Grade in der Zeit unmittelbar nach Veröffentlichung dieses Artikels war ich jedesmal wie gelähmt, wenn ich irgendwo diese Blick-Aufmachung mit grossen Buchstaben und noch grösserem Bild sah. Noch heute gibt mir diese Schriftart in Kombination mit den Signalfarben jedes Mal einen Zwick, wenn ich sie sehe.
Wann haben Sie selbst diesen Artikel zum ersten Mal gelesen? Und wie haben Sie darauf reagiert?
Im Verlauf des Morgens vom 24. Dezember 2014 erhielt ich von jemandem einen Screenshot auf mein iPad zugeschickt. Es überkam mich eine Schockstarre, ich war weg. Da mein Handy am 24. Dezember 2014 zwecks Untersuchungen noch bei der Polizei war, erhielt ich die Reaktionen von aussen über mein iPad. Es wurden immer mehr. Ich war wie ein Geist, konnte nicht mehr überlegen, nicht mehr rational handeln. An Heiligabend ist die Stimmung bei uns normalerweise heiter, es wird gelacht, das Zusammensein genossen. Am 24. Dezember 2014 aber habe ich nichts gefühlt, meine Emotionen waren ausgelöscht, ich war in einer absoluten Leere.
Können Sie Ihren Tagesablauf des 24. Dezember 2014 beschreiben?
Als ich den Blick-Artikel gelesen habe, war mein Mann am Kochen. Ich funktionierte wie ein Roboter, schmückte den Weihnachtsbaum und brachte die Kinder zu meinen Eltern. Als ich zurückkam, half mir meine Schwester bei der Vorbereitung auf den Weihnachtsabend. Sie wusste bereits Bescheid. Irgendwann überkam uns das Gefühl, dass fremde Leute unser Haus aufsuchten. Nachbarn berichteten uns, dass sie von Blick-Journalisten angegangen und gefragt wurden, ob sie etwas über mich sagen könnten. Wir schlossen uns ein, überdeckten die Haustür und die Fenster mit Tüchern, ich rief die Polizei an und fragte in meiner Verzweiflung, was man gegen diese Medienhetze machen könne. Natürlich wusste die Polizei keine Antwort darauf, sie schickte aber eine Patrouille vorbei. Später sind meine Eltern mit den Kindern gekommen, zusammen gingen wir in die Kirche. Ich befand mich auf dem Kirchenplatz, als ich noch mit einem befreundeten Kommunikationsspezialisten telefonieren konnte. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes betrat ich dann als letzte die Kirche. Zunächst schauten nur wenige Leute nach hinten zu mir, bis dann irgendwann alle schauten. Es war nicht auszuhalten. Während des Gottesdienstes hatte ich das Gefühl, der Pfarrer spreche indirekt zu mir. Noch vor dem Ende des Gottesdienstes, als „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen wurde, verliess ich alleine die Kirche und ging nach Hause. Ich wollte nicht von den anderen Kirchgängern angesprochen werden. Während dem Weihnachtsessen dann mit der Familie versuchten meine Eltern krampfhaft, irgendwelche seichten Themen anzusprechen. Normalerweise haben sie Probleme sofort und direkt angesprochen. Diesmal aber waren auch sie in einer Schockstarre. Wir brachten das Weihnachtsessen hinter uns, gelacht wurde nicht. Als meine Tochter nach dem Essen ein kleines Konzert gab, filmte ich dieses und weinte. Spätestens dann haben meine Kinder verstanden, dass mit ihrer Mutter etwas geschehen war. Als der Besuch dann nach Hause gegangen war, kam der grosse Zusammenbruch. Auch bei meinem Ehemann. Wir weinten die ganze Nacht.
Wie verliefen die Tage nach dem 24. Dezember 2014?
Am Morgen danach war die Leere noch immer da. Am Mittag hatte mein Mann einen Nervenzusammenbruch. Ich konnte nicht mehr essen, auch einige Tage später nicht. Etwa zwei Wochen lang verlief jeder Tag wie der andere: Die Leere, die Schockstarre; sie waren noch immer da. Einige Verwandte besuchten uns in dieser Zeit, gelacht wurde auch dann nie. Mein Handy hatte ich mittlerweile wieder, es surrte ununterbrochen. Ich erhielt viele Reaktionen von besorgten Kollegen, auch von Journalisten. Nur zufällig und ohne Plan habe ich einige Folgeartikel über mich gelesen, doch so habe ich realisiert, in welche Richtung diese Blick-Berichterstattung ging. Ich erhielt Schimpftiraden von wildfremden Menschen, es fiel alles auf mich ein, ich war dem einfach ausgesetzt und konnte mich nicht wehren. Obwohl es mir doch schon schlecht ging wegen des Vorfalls am 20. Dezember 2014, droschen fremde Leute auf mich ein, ich erhielt Vergewaltigungs- und Morddrohungen, ging durch die Hölle. Ohne die Berichterstattung des Blicks wäre ich dem nicht ausgesetzt gewesen. Man hätte meinen Namen ja nicht gekannt.
Was konkret werfen Sie dem Blick beim fraglichen Artikel vor?
Dass er meinen Namen veröffentlicht hat, dass er so dafür gesorgt hat, dass der Hinterste und Letzte in der Schweiz meine Geschichte kennt. Ich hatte ja schon Mühe, meinen Eltern davon zu erzählen. Ich wollte nicht, dass man diese Geschichte kennt. Der Vorfall vom 20. Dezember 2014 war schon schlimm genug. Nicht zu wissen, was geschehen war, dann diese Schmerzen. Eigentlich hätte ich diesen Vorfall verarbeiten müssen. Stattdessen war ich fremdbestimmt, es war der Blick, der ab dem 24. Dezember 2014 über mich, mein Denken und Handeln entschied. Ich selbst wäre nie in die Öffentlichkeit gegangen, diese Entscheidung wurde mir genommen. Gegen die Vorverurteilung aber hatte ich keine Chance. Wie kann man in einer solchen Situation glaubwürdig erscheinen? Ich meine: nie. Hätte der Blick meinen Namen und mein Bild nicht veröffentlicht, hätte man nur in Zug gewusst, um wen es ging. So aber musste ich den Dreck der ganzen Schweiz fressen. Meine Gotte aus Basel hat davon erfahren, meine Tante aus Graubünden – einfach alle. Habe ich auf meinem Facebook-Account etwas geschrieben, hat Blick umgehend eine Geschichte daraus gebastelt. Alles, was ich tat oder sagte, wurde mir negativ ausgelegt. Aber was würden Sie machen, wenn die Boulevard- und Lokalpresse stets wieder neue Gerüchte zu Tatsachen macht, ständig anonyme Quellen zitiert, ja sogar Zitate erfindet? Es wurde etwa behauptet, ich hätte mit anderen Kantonsräten ein Verhältnis gehabt, mein Mann sei mit den drei Kindern aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen oder ich sei von Markus Hürlimann schwanger. Alles erfunden zum Zwecke der Unterhaltung und Skandalisierung meiner Person. Es war mir ein Bedürfnis, jeweils zu korrigieren, was ich korrigieren konnte. Was mir zu oft wiederum im Mund umgedreht wurde und als Folgegeschichte verkauft wurde. Ich wurde durch eine Indiskretion in die Medienarena gezerrt, mit einer hochintimen Geschichte. Dies wünscht sich niemand, und es hätte niemals passieren dürfen.
Wie ist der Blick vorgegangen, um von Ihnen resp Ihrem Umfeld an Informationen zu gelangen?
Der Blick hat alle meine Nachbarn abgeklappert, sie teilweise bis zu fünf Mal täglich angerufen. Diese aber haben über mich nichts preisgegeben. Dann hat der Blick eine ganze Kavallerie von Journalisten auf mich angesetzt: Gabriela Battaglia, Daniel Riedel, Ralph Donghi um nur einige zu nennen. Da ich nie auf eine Blick-Anfrage reagiert habe, mussten sie über meinen nach der Weihnachtspause professionell mandatierten Kommunikationsberater gehen. Das hat die Blick-Journalisten verärgert. Der Mann einer guten Freundin von mir arbeitet beim Blick. So habe ich erfahren, dass man sich intern beim Blick durchaus damit beschäftigt hat, ob man meinen Namen und mein Bild veröffentlichen sollte. Nicht alle waren dafür, aber offenbar die Mehrheit. Blick-intern galt die Haltung: „Wir machen so lange weiter, bis sie fällt.“ Davon war ich nicht mehr weit weg. Im Februar und März 2015 kamen mir Suizidgedanken. Die ständige Berichterstattung über mich, die durch den Blick losgetreten wurde, hielt ich nicht mehr aus. Wenn ich mal wieder 20, 30 ungelesene Nachrichten auf meinem Handy vorfand, wusste ich, dass der Blick wieder etwas geschrieben hatte. Nur einmal habe ich versehentlich einen Anruf einer Blick-Journalistin entgegengenommen. Ich sagte ihr, dass ich jetzt nicht sprechen könne, da ich Therapiestunde habe – um was für eine Therapie es sich handelte (es hätte ja auch eine Physiotherapie sein können) sagte ich nicht. Zwei Stunden später stand auf Blick-Online: „Spiess-Hegglin ist in Therapie!“.
Was für eine Therapie war das?
Ich musste mich in Psychotherapie begeben und starke Antidepressiva nehmen. Dies hat dazu geführt, dass ich noch weniger gegessen habe, ich litt an Mangelernährung. Dabei war ich zuvor immer ein aufgestellter Mensch. Ich hätte mir nie vorstellen können, über eine längere Dauer traurig zu sein. Denn ich hatte ja alles: Eine tolle Familie, eine schöne Wohnung, ein Job. Dieses Glück fiel mit einem Mal in sich zusammen und wurde von einer Depression abgelöst. Auch bei meinem Mann. Erst über ein Jahr nach der Blick-Initialberichterstattung konnte ich die Medikamente absetzen, bei meinem Mann dauerte es massiv länger.
Wann waren Sie wieder in der Lage, zu arbeiten und Ihr politisches Amt aufzunehmen?
Aus therapeutischen Gründen musste ich die Konfrontation mit Markus Hürlimann suchen und traute mich ab Ende Januar 2015 erstmals in eine Kantonsratssitzung. Dass ich mittlerweile jedoch zurückgetreten bin, ist bekannt. Die Arbeit bei Hanspeter Uster aber konnte ich nie mehr richtig erledigen. Das ganze Jahr 2015 war ich krankgeschrieben, erst anfangs 2016 konnte ich die Arbeit bei Hanspeter Uster wiederaufnehmen. Zunächst habe ich das Pensum von 40% auf 30% reduzieren müssen, dann, das letzte Jahr noch 10%, also ein Vormittag pro Woche. Mehr geht nicht. Nun habe ich entschieden, ganz aufzuhören. Als Co-Präsidentin der Partei konnte ich nach Dezember 2014 nicht mehr arbeiten, weil mich die Schweiz nur noch in einem negativen Kontext wahrnahm. Im Kantonsrat hat man mich gemieden, die Medienkampagne hat das Klima derart vergiftet, dass ich als Politikerin im Gremium kein Brot mehr hatte und darum nach isolierten zwei Jahren zurückgetreten bin.
Was sind die Gründe dafür, dass Sie nicht mehr arbeiten können?
Ich leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Meine Therapeutin hat mir gesagt, dass diese aus der medialen Hetzjagd herrühre. Aufgrund der durch Blick befeuerten Berichterstattung war ich nicht in der Lage, das tatsächliche Drama, nämlich den Vorfall vom 20. Dezember 2014, aufzuarbeiten. Stattdessen schlug der Blick immer wieder auf mich ein, angefangen mit dem Blick-Artikel vom 24. Dezember 2014 und hielt die Verletzung über zwei Jahre warm, sodass ich nie abschliessen konnte. Die posttraumatische Belastungsstörung führt dazu, dass ich nicht mehr effizient und konzentriert arbeiten kann. Oft sitze ich da und habe leere Gedanken, möchte mich aber nicht schon wieder krankschreiben lassen. Zuhause fällt es mir ein wenig leichter, da ich dort selber bestimmen kann, was ich mache. Ich merke aber, dass ich auch privat vergesslich geworden bin. Manchmal vergesse ich die Herdplatte, manchmal höre ich meine Kinder nicht. Ich bin in meiner eigenen Welt.
Wie wirkt sich dies auf Ihre finanzielle Situation aus?
Meine Situation, meine Krankheit, geht ins Geld, klar. Wir leben zwar sehr bescheiden, seit zwei Jahren aber schmilzt unser Erspartes dahin. Dieses Geld war für unsere Kinder gedacht. Das schmerzt wirklich, zumal wir uns damit nie was Grosses geleistet haben. Therapeuten, Kommunikationsberater, Anwälte – das alles hat Geld verschlungen.
Wie hat sich Ihre Beziehung zu Ihrer Familie verändert?
Dass mein Mann eine solche Situation aushält, ist nicht selbstverständlich. Das geht nur mit viel Vertrauen und dieses wurde sogar noch gestärkt. Mit den Kindern ist die Beziehung viel bewusster geworden. Ich versuche, jede Minute mit ihnen zu geniessen, unbeschwerte Momente aber gibt es wenige. Ich mache mir grosse Sorgen, dass sie die Geschichte irgendwann in voller Länge mitbekommen. Wir mussten Vorkehrungen treffen, damit unser Sohn nicht alles liest. Wir haben auch eine Schulpsychologin und die Psychomotoriktherapeutin informiert, mit welchen wir sehr gut zusammenarbeiten. Oft bin ich mit Anwälten oder Therapeuten beschäftigt und habe dann keine Zeit für die Kinder. Ich habe deswegen Schuldgefühle gegenüber meinen Kindern, weil ich so keine gute Mutter sein kann. Um das zu kompensieren, verwöhne ich meine Kinder viel zu stark. Aus pädagogischer Sicht ist dies sicher nicht sinnvoll, das ist mir bewusst.
Wie hat sich Ihre Beziehung zu Ihrer erweiterten Familie (Eltern, Geschwister, etc.) und zu Ihren Freunden verändert? Sind gemeinsame Abende und Ferien noch möglich? Leben Sie isolierter als zuvor?
Es kam zu einschneidenden Veränderungen im Freundeskreis. Dies offenbarte sich nicht unmittelbar, sondern erst mit einigem zeitlichem Abstand. Wir hatten viele Freunde innerhalb der Grünen Partei. Davon ist nur ganz wenig geblieben. Die Grüne Partei teilte mir Ende 2015 mit, dass sie die Medienberichterstattung nicht mehr aushalte. Es war für mich die Zeit gekommen, die Partei zu verlassen, im Wissen, dass ich überhaupt nicht für diese Medienhetzjagd verantwortlich war, im Gegenteil, ich litt ja am meisten darunter. So riss der Kontakt mit diesen Leuten ab. Auch vom Paten unseres jüngsten Sohnes mussten wir uns trennen. Infolge eines Blick-Berichts, der ihn identifizierte, kam es mit ihm zu einer kompletten Entfremdung. Auch andere Freunde, welche mit der Medienkampagne nicht klarkamen und sich irgendwann der Aufarbeitung verschlossen haben, mussten wir aus dem Bekanntenkreis aussortieren. Das schmerzt schon sehr.
Meine Geschwister sind sehr besorgt darum, wie es uns geht und meine Eltern haben selbst sehr gelitten. Auch sie bekamen anonyme Post mit Drohungen und Verleumdungen. Wutbürger, die meinen Namen kannten, konnten via Google ganz leicht die Adresse meiner Eltern finden. Mein Vater besuchte vorher immer mehrmals die Woche den Stammtisch in der Dorfbeiz. Seitdem dort aber jeweils die Blickartikel aufliegen und diskutiert werden, geht er nicht mehr hin und lebt sehr zurückgezogen. Auch aus der Musikgesellschaft, die er über Jahrzehnte als engagierter Posaunist mitprägte, hat er sich zurückgezogen. Auch meine Schwiegereltern leben eher zurückgezogen. Mein Schwiegervater ist Arzt in einer Zuger Gemeinde; er musste sich schon so oft Meinungen über mich von Blick-Lesern anhören.
Uns stört extrem, dass wir überall in diesem negativen Kontext erkannt werden. Kürzlich wollten wir einfach mal den Kopf durchlüften, uns erholen und gingen auf den Napf wandern. Das hätten wir besser nicht getan. Man tuschelte über uns, schaute verstohlen und als ich im Bergrestaurant kurz auf die Toilette ging, begann man über mich zu sprechen; das hat mir mein Mann berichtet. Oder wenn wir an ein Konzert gehen, wird’s ganz still, wenn wir durch die Menschenmassen laufen. Das ist extrem unangenehm, niemand wünscht sich das.
Wie würden Sie Ihr jetziges Leben beschreiben?
Ich bin ein positiver Mensch und würde deshalb sagen, dass ich ein gutes Leben habe. Jeder Tag ist anders. Inzwischen habe ich die Sicherheit und Kontrolle einigermassen zurück und kann entscheiden, was ich mache. Ich kann selber entscheiden, mit wem ich kommuniziere, habe auch mit guten Journalisten Kontakt. Noch immer aber ist jeder Tag in meinem Leben von dieser medialen Hetzjagd geprägt. Ich arbeite dies noch immer auf und muss die Folgen bewältigen. Ich habe mir in der Öffentlichkeit so eine Art gläsernen Blick zugelegt. Das heisst, ich schaue durch die Leute hindurch, weil ich immer noch angestarrt werde oder ich merke, dass man über mich tuschelt. Früher war ich ein ganz anderer, offener Mensch. Morddrohungen, Vergewaltigungsandrohungen, anonyme Post, Stalker – all das erlebe ich noch immer fast täglich. Mehrere Stalker-Fälle konnte ich vor Gericht und bei der Staatsanwaltschaft klären, mehrere sind aber noch aktiv. Mit einem habe ich demnächst einen wiederholten Gerichtstermin, weil er mich nicht in Ruhe lässt.
Wenn Sie sich ein normales Leben vorstellen könnten: Wie würde dieses aussehen?
Es wäre ein Leben ohne diesen Blick-Artikel. Ich hätte auch so schlimme Tage erlebt nach dem Vorfall an der Landammanfeier, hätte dies aber verarbeiten können. Dem Blick gebe ich eine Mitschuld, dass ich nicht gegen die Einstellungsverfügung der Zuger Staatsanwaltschaft im Strafverfahren vorgegangen bin. Denn ich konnte nicht mehr und hatte Angst vor neuen Schlagzeilen. Blick hat das Verfahren massgeblich beeinflusst. Da damals wichtige Zeugen erst recht spät befragt wurden, war kein einziger mehr neutral, man liess sich von der Berichterstattung beeinflussen, das wird klar, wenn man die Protokolle liest. Jetzt aber ist es zu spät. Der Blick hat mir die Möglichkeit genommen, den Vorfall der Landammanfeier aufzuarbeiten oder abzuschliessen.