Der Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements Basel, Hans-Peter Wessels, bemüht ein prozessrechtliches Verfahren, um die «Basler Zeitung» wegen Rassendiskriminierung juristisch zu verfolgen.
Die Geschichte beginnt im August 2018 mit einem Artikel in der «Basler Zeitung» – ein einigermassen reisserischer Titel («Vorne ‹Schweinebucht›, hinten ‹Nuttenbahnhof›»), jede Menge Vorurteile und einige gravierende Vorwürfe.
Jetzt zieht der Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD), Hans-Peter Wessels, vor Bundesgericht, um gegen diese Berichterstattung vorzugehen. Dabei geht es aber noch gar nicht um die Frage, ob der Artikel strafrechtlich relevant ist, sondern um die prozessrechtliche Frage, ob das BVD überhaupt dagegen rechtliche Schritte einleiten und am Verfahren als Partei teilnehmen kann.
Aber von vorn: Der Artikel, der am 20. August in der «Basler Zeitung» erschien, handelt von Anwohnern im Kleinbasel, die sich über den Lärm einer Takeaway-Bude ärgern. Der Artikel gibt ein Stimmungsbild über die Lage an der Rebgasse und das Leid der Anwohner über den nächtlichen Lärm.
Doch die Aussagen der Anwohner fliessen ungefiltert und unhinterfragt in den Artikel ein und werden mit den Vorurteilen des Autors vermischt.
So schreibt der Autor wahlweise von den «Türken», «Drogendealer aus Afrika», «Schwarzen» oder den «Eritreern», die nur in diesen Bezeichnungen auftreten und nicht selber zu Wort kommen. Die Anwohner dagegen, die gegenüber der BaZ erzählen, werden jeweils mit ihrem vollen Namen zitiert.
Die Anschuldigungen, die der Autor erhebt, sind nicht unerheblich. Einerseits an die Adresse der «Schwarzen», die offenbar 15-jährigen Mädchen nachlaufen würden und vor Ort Drogendepots installierten. Andererseits an die «angeblich bei der Stadtreinigung angestellten Eritreer», die einem «mafiösen System» gleich den Müll aus der Takeaway-Bude illegal entsorgen, beziehungsweise «die Abfallgebühren selber einsacken».
Die teilweise schweren Anschuldigungen der Anwohner an die Adresse der «Schwarzen» werden vom Journalisten weder auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft, noch hat er die Betroffenen mit den Vorwürfen konfrontiert. Die Stadtreinigung erhält hingegen die Möglichkeit, auf die Vorwürfe («mafiöses System») zu reagieren.
Im September ging bei der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt eine Anzeige wegen Rassendiskriminierung ein. Weil der Straftatbestand der Rassendiskriminierung ein Offizialdelikt ist, muss die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt von Amts wegen bei einem potenziellen Vergehen ermitteln. Die Stawa kam jedoch zum Schluss, dass die Anti-Rassismus-Strafnorm (StGB Art. 261bis) in diesem Fall nicht tangiert sei.
Das BVD sah das anders und wollte gegen die angekündigte Einstellungsverfügung der Stawa vorgehen. Ein Gesuch des BVD um Teilnahme am Verfahren als Privatklägerin und um Akteneinsicht lehnte die Stawa jedoch ab, da die Behörde nicht als Privatklägerin auftreten könne.
Das BVD wiederum focht diese Nichtzulassung als Privatklägerschaft beim Appellationsgericht Basel-Stadt an. Da die Mitarbeiter*innen der Stadtreinigung im Artikel diskriminiert würden, sei das BVD sehr wohl als Geschädigte zu betrachten, argumentierte das BVD. Zudem sei die Behörde in der Pflicht, seine Mitarbeitenden vor pauschalen Verunglimpfungen zu schützen.
Diese Beschwerde wies das Appellationsgericht am 2. März 2020 ab. Mit der Begründung, das BVD sei nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden – angenommen der Vorwurf der Rassendiskriminierung treffe überhaupt zu. Das Gericht führt in seinem Entscheid aus:
«Die Tatsache, dass eine Teilgruppe der Mitarbeitenden der Stadtreinigung als ‹Eritreer› durch ihre Nationalität gezielt in den Fokus gerückt wird, erscheint zwar wenig differenziert, führt aber nicht dazu, dass der Staat wie ein Privater von den strittigen Äusserungen betroffen ist.»
Den Entscheid feierte die BaZ in einem Artikel und Kommentar vom 27. April 2020 als Sieg für die Pressefreiheit und ortete bei Wessels eine «Klagewut».
Hintergrund für die Klage sei nicht die Diskriminierung von Mitarbeitenden, welche sowieso nicht stattgefunden hätte, sondern vielmehr eine persönliche Abrechnung mit einem unliebsamen Journalisten, mutmasste die Zeitung.
Dass nun der Schritt ans Bundesgericht kommt, ist für Wessels nur folgerichtig. Auf Anfrage von Fairmedia schreibt er:
«Das Departement sieht nach wie vor unhaltbare Vorwürfe in der umstrittenen Berichterstattung. Als verantwortungsbewusster Arbeitgeber nutzt das Bau- und Verkehrsdepartement die zur Verfügung stehenden Mittel, damit gerichtlich geklärt werden kann, ob ein Verstoss gegen die Antirassismusstrafnorm vorliegt. Das Verfahren soll fundamentale, rechtstaatliche Fragen klären.»
Der Prozess vor Bundesgericht wird noch nicht die Frage klären, ob der Ursprungsartikel den Straftatbestand der Rassendiskriminierung erfüllte. Er stellt vielmehr einen Zwischenschritt dar, auf dem Weg, gegen pauschale Verunglimpfungen vorzugehen.
Fairmedia hat die BaZ angefragt, wie sie den Weiterzug einschätzt. Eine Kommunikationsbeauftragte von Tamedia schreibt zurück, man nehme dazu keine Stellung. Das Thema war jedoch offenbar für die BaZ von Relevanz. Denn 24 Stunden nach der Anfrage publizierte sie einen eigenen Online-Artikel, der sich dem Thema widmet.
(Jeremias Schulthess)