Fairmedia beobachtet und analysiert in regelmässigen Abständen Telegram-Kanäle, die hetzerische oder manipulative Inhalte verbreiten. Im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen haben wir ausgewertet, welche Politiker:innen in toxischen Telegram-Kanälen mit Bezug zur Deutschschweiz am häufigsten erwähnt werden, wie über sie gesprochen und wie Telegram als Wahlkampf-Instrument verwendet wird.
Um zu ermitteln, inwiefern Kandidierende des Nationalrats von potenziell problematischen Inhalten betroffen sind, wurden die Kanäle nach den Namen aller 5924 Kandidierenden für den Nationalrat durchsucht und gezählt wie oft die jeweiligen Kandidierenden erwähnt wurden.
Dazu haben wir 314’159 Telegram-Posts quantitativ ausgewertet und die Ergebnisse anschliessend qualitativ untersucht. Die 50 Nationalrats-Kandidierenden mit den meisten Erwähnungen finden sich in folgender Liste (Ständerats-Kandidierende wurden nicht berücksichtigt):
Rang | Nachname | Vorname | Erwähnungen | Partei |
---|---|---|---|---|
1 | Rimoldi* | Nicolas | 577 | Mass-Voll |
2 | Gut | Philipp | 186 | SVP |
3 | Spiri | Robin | 177 | Aufrecht |
4 | Koller | Richard | 172 | Aufrecht |
5 | Hans | Urs | 161 | Aufrecht |
6 | Gagneux | Alec | 138 | LOVB |
7 | Bühlmann | Roland | 125 | Mass-Voll |
8 | Jetzer* | Patrick | 125 | Aufrecht |
9 | Millius | Stefan | 114 | Aufrecht |
10 | Müller | Barbara | 95 | Mass-Voll |
11 | Wermuth* | Cédric | 93 | SP |
12 | Leimbach | Remko | 90 | Aufrecht |
13 | Ender | Josef | 82 | Freie Liste |
14 | Beutler* | Daniel | 82 | EDU |
15 | Molina* | Fabian | 79 | SP |
16 | Anselmetti | Lilly | 66 | Aufrecht |
17 | Glarner* | Andreas | 60 | SVP |
18 | Zollinger | Markus | 49 | Mass-Voll |
19 | Glättli* | Balthasar | 49 | Grüne |
20 | Ameti* | Sanija | 45 | GLP |
21 | Funiciello | Tamara | 35 | SP |
22 | Schneider | Meret | 30 | Grüne |
23 | Kullmann | Samuel | 29 | EDU |
24 | Brunner | Guido | 28 | Aufrecht |
25 | Burri | Petra | 28 | Aufrecht |
26 | Dobler | Marcel | 27 | FDP |
27 | Pin | Mirco | 26 | Aufrecht |
28 | Siegrist | Nicola | 26 | SP |
29 | Grossen | Jürg | 25 | GLP |
30 | Badran* | Jacqueline | 24 | SP |
31 | Hartmann | Martin | 23 | LP |
32 | Gafner | Andreas | 23 | EDU |
33 | Ambühl | Benedikt | 22 | Mass-Voll |
34 | Aeschi* | Thomas | 19 | SVP |
35 | Schulthess | Georg | 19 | Aufrecht |
36 | Pfister | Gerhard | 18 | Die Mitte |
37 | Zbinden | Jonathan | 17 | Aufrecht |
38 | Meyer | Mattea | 16 | SP |
39 | Gantner | Alex | 16 | Mass-Voll |
40 | Trappitsch | Daniel | 16 | Aufrecht |
41 | Brammertz | Franz | 14 | Aufrecht |
42 | Nause | Reto | 13 | Die Mitte |
43 | Oldenburg | Sylvia | 13 | Piratenpartei |
44 | Vareni | Dario | 12 | SP |
45 | Salzmann | Werner | 12 | SVP |
46 | Trachsel | David | 12 | JSVP |
47 | Imark | Christian | 11 | SVP |
48 | Reimann | Lukas | 11 | SVP |
49 | Pult | Jon | 10 | SP |
50 | Fasel | Nicole | 10 | Aufrecht |
Detaillierte Angaben zur Methodik sowie alle Daten zu den Kandidierenden finden Sie weiter unten.
* Bei allen Kandidierenden wurde nach der Verbindung von Vor- und Nachnamen gesucht. Dort, wo es möglich war, die Daten nach weiteren Suchbegriffen (zum Beispiel seltene Nachnamen wie «Rimoldi» oder eindeutige Wortverbindungen wie #JetzerNationalrat) zu überprüfen, haben wir dies getan. Diese Personen sind mit einem (*) markiert.
«Dauermotzer Wermuth», «Rimoldiva» und «E.T. Badran»
Kandidierende der massnahmenkritischen Bewegungen Mass-voll und Aufrecht wurden weitaus am häufigsten in Deutschschweizer Telegram-Kanälen erwähnt. Nicolas Rimoldi etwa, der klare Spitzenreiter, verfügt über einen persönlichen Telegram-Kanal und wird auch häufig vom Kanal von Mass-voll erwähnt.
Mass-voll und Aufrecht treten mit insgesamt 75, respektive 77 Kandidierenden in den meisten Deutschschweizer Kantonen an.
Es ist anzunehmen, dass Telegram von den Exponten:innen von Mass-voll und Aufrecht als Wahlkampf-Instrument genutzt wird. Dass Politiker:innen von etablierten Parteien Telegram aktiv für ihren Wahlkampf nutzen, dafür gibt es – mit wenigen Ausnahmen – keine Hinweise in unseren Daten.
Dennoch werden auch Nationalrät:innen von etablierten Parteien einigermassen oft in Telegram-Kanälen erwähnt. In den allermeisten Fällen wird in negativ konnotiertem Kontext und in manchen Fällen auch in hetzerischer Art und Weise von ihnen gesprochen.
Eine Tendenz lässt sich aus den Erwähnungen aller Kandidierenden klar herauslesen: Politiker:innen aus linken und Mitte-Parteien (SP, Grüne, Mitte, GLP) sind fast immer Zielscheibe von Kritik und Hetze, während SVP- und in Einzelfällen auch FDP-Politiker:innen tendenziell eher für ihre Arbeit gelobt werden.
Auffallend ist auch, dass Politikerinnen häufig Verunglimpfungen in Bezug auf ihr Äusseres erfahren, während ihre männlichen Kollegen ausschliesslich auf der inhaltlichen Ebene angegriffen werden.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass wir die Wiedergabe der Verunglimpfungen in den Telegram-Kanälen als heikel erachten. Daher verzichten wir darauf, gewisse Beleidigungen und Verunglimpfungen wiederzugeben.
Uns ist es ein Anliegen, über die Vorgänge auf Telegram zu berichten, um für den Umgang mit manipulativen Inhalten und Hetze zu sensibilisieren.
Nicolas Rimoldi – viel Zuspruch, aber auch Kritik
Viele Erwähnungen erfolgen im Zusammenhang mit dem Thema Covid und den politischen Prozessen dazu – zum Beispiel dem Referendum zum Covid-Gesetz im Juni 2023. Nicolas Rimoldi gibt häufig Interviews in Alternativmedien wie «Hoch2-TV», «Transition-TV» oder «Stricker-TV». Diese Interviews sorgen für viel Aufmerksamkeit auf Telegram, ebenso wie seine Auftritte und Interviews in etablierten Medien. Der Tenor zu ihm ist in der Regel wohlwollend, aber es gibt auch Kontroversen. Exponenten von Aufrecht greifen Rimoldi regelmässig an. Er wird dafür kritisiert, dass er politische Ambitionen als Nationalrats-Kandidat hat, obwohl er Mass-voll zuvor als ausserparlamentarische Opposition etabliert habe. Der Ton auf Telegram ist generell rau und herablassend – auch gegen «die Rimoldiva», wie er mehrfach bezeichnet wird.
Philipp Gut – Journalist und SVP-Kandidat
Der ehemalige «Weltwoche»-Vize-Chefredaktor ist seit einiger Zeit regelmässig auf dem Alternativmedium «Hoch2-TV» als Moderator zu sehen. Der Sender bewegt sich im Themenspektrum Corona-Impfungen, WHO, Migration bis hin zu «Hypnose-Therapien». Neben Interviewpartner von SVP bis Mass-voll findet sich beispielsweise auch der renommierte Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann, der den Fall Credit Suisse einordnet. Beim Sender moderieren teilweise die gleichen Personen wie bei «Transition-TV». Auch die Adressen der beiden Sender stimmen überein. Die meisten Telegram-Posts, in denen Philipp Gut erwähnt wird, stehen in Verbindung mit den Inhalten, die er für «Hoch2-TV», die «Weltwoche» oder anderen Medien publiziert.
Patrick Jetzer – Telegram als Wahlkampf-Instrument
Der Vorstandspräsident von Aufrecht Schweiz ist sehr präsent in den beobachteten Telegram-Kanälen. Er tritt beispielsweise im österreichischen Alternativ-Fernsehen «Auf1» auf, wo er mit der Aussage provoziert, die Gewaltenteilung gebe es in der Schweiz nur auf Papier. Anhand seiner Person wird die Kontroverse innerhalb der Corona-Massnahmen-Kritiker sichtbar. Jetzer kritisiert etwa Daniel Stricker, den Urheber von «Stricker TV», für dessen inszenierte Auftritte. Dafür wird wiederum Jetzer kritisiert. Meinungsverschiedenheiten sollten intern geklärt werden, so die Kritik. «Was sich da Jetzer geleistet hat, ist einfach nur dumm!»
Cédric Wermuth – angefeindet als «Kriegstreiber» und «Dauermotzer»
Der SP-Co-Präsident wird unter den bisherigen Nationalrät:innen am häufigsten erwähnt, respektive angefeindet. Zu seiner Person finden sich ausschliesslich kritische Worte, Anfeindungen und Hetze. So wird er beispielsweise sehr oft mit dem Attribut «Dauermotzer» bezeichnet. Wegen seiner Haltung gegenüber Russland wird er von manchen auch als «Kriegstreiber» betitelt. Äusserungen von ihm oder seiner Partei werden etwa goutiert mit: «Was ist denn das für ein Hirnfick, Cédric?» Oder: «Den Sozis geht es nicht um Frieden, sondern um KRIEG!» Wegen seinem Auftritt beim «Schweizer Fernsehen» in Tarnanzug wird Wermuth zum «Panzergeneral». An anderer Stelle steht die Aufforderung: «Ab an die Front, aber subito!!»
Andreas Glarner – Lob für SVP-Hardliner
Der Aargauer SVP-Nationalrat erfährt viel Zuspruch aus der Deutschschweizer Telegram-Community. Etwa wenn er gegen Elektroautos wettert, sich weigert, eine Transfrau Frau zu nennen, oder auf einer «Anti-Kriegs-Demo» in Bern mitmarschiert. Seine Interviews bei «Stricker TV» oder «Hoch2-TV» werden häufig geteilt. Es gibt praktisch keine negativ konnotierten Telegram-Beiträge über ihn.
Balthasar Glättli – ein kleines bisschen Lob
Der Parteipräsident der Grünen muss einiges einstecken, er erfährt jedoch – praktisch als einziger Linker – auch ein kleines bisschen Lob. Nämlich dafür, dass er sich gegen E-Voting einsetzte. In der überwiegenden Mehrheit der Beiträge wird Glättli jedoch kritisiert bis diffamiert – wahlweise als «Energie-Schwurbler» oder «Kriegstreiber». Einige Telegram-Nutzer:innen sehen in Glättli auch eine Projektsfläche für ihre Verschwörungstheorien, da er sich öffentlich mit einem Anstecker der UN-Klimaziele zeigte. Die UN-Klimaziele, subsumiert unter dem Titel «Agenda 2030», werden von einzelnen Telegram-Nutzer:innen als «Programm für die totale Weltherrschaft und Versklavung aller Völker» gesehen.
Sanija Ameti – als «Neofaschistin» verunglimpft
Die streitbare Co-Präsidentin von Operation Libero erfährt auf Telegram viel Hass und Verunglimpfungen. Besonders eine Aussage von ihr zur Maskenpflicht dient dafür als Grundlage. Auf Twitter schrieb sie im Februar 2022: «Ich war noch nie so wenig krank, wie die letzten zwei Jahre. Ja, ich liebe meine Maske.» Dank dieser Aussage sehen einige Telegram-Nutzer:innen rot und bezeichnen sie als «Impfzwang-Ameti». Andere verunglimpfen sie als «Neofaschistin», weil sie angeblich eine «altbekannte Nato-Propaganda Platte» abspiele. Die Grundlage für die Kritik wird oft nicht näher ausgeführt.
Meret Schneider – Anspielungen auf den Körper
Ein krasses Beispiel für verunglimpfende Kommentare auf Telegram stellt die Grünen-Nationalrätin Meret Schneider dar. Ein Tweet von ihr, in welchem sie scherzhaft schrieb, dass sie Nicolas Rimoldi in Notwehr mit dem Sackmesser erstechen könne, löste auf Telegram sehr viel Hass-Beiträge gegen sie aus. Dabei spielen die Exponent:innen direkt auf die Frau, respektive auf ihren Körperbau an. Sie habe nicht die Kraft, ein Sackmesser zu öffnen und sei bei einem «Candle-Night Dinner» (sic!) fehl am Platz, «weil man da isst». Andere Nutzer:innen posten Fotos, auf denen ihr Körper zu sehen ist mit dem Kommentar: «Meret ernährt sich aussliesslich vegan.» Auch Beleidigungen wie «Hungerhacken» finden sich unter den Kommentaren.
Jürg Grossen – Fake-Zitat sorgt für Aufsehen
Der Nationalrat und Präsident der Grünliberalen wird mit einem manipulierten Zitat an den Pranger gestellt – der entsprechende Beitrag erreichte über 50’000 Personen. Jürg Grossen äusserte sich 2021 zum Schutz von vulnerablen Personen vor dem Corona-Virus. Gegenüber der «SonntagsZeitung» sagte er: «Pfleger, Betreuerinnen in Heimen, das Personal in Kitas und so weiter könnten zum Beispiel Sticker tragen, die zeigen, ob sie geimpft sind oder nicht.» Sein Vorschlag sorgte für eine Kontroverse in einigen Massenmedien. Auf Telegram kursierte hingegen ein Jahr nach seiner Aussage im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Covid-Referendum das modifizierte Zitat: «Ungeimpfte sollen mit Sticker gekennzeichnet werden.» Die Einschränkung, dass Grossen etwa Pfleger:innen und Personal in Kitas meinte, fehlt, weshalb das Zitat als falsch eingestuft werden kann.
Jacqueline Badran – Beleidigungen über Äusseres
Wie bei Meret Schneider wird auch Jacqueline Badran mit Beleidigungen über ihr Äusseres eingedeckt. Daniel Stricker nennt sie beispielsweise «E.T.». Ein anderer Telegram-Nutzer nennt sie «Jacqueline ‹Alf› Badran». Auf der inhaltlichen Ebene wird sie wegen dem Befürworten von Corona-Schutzmassnahmen heftig angegriffen. Sie wird deswegen als die «Arrogante und Dummdreiste» bezeichnet. Auch dass sie sich für Bundesrat Alain Berset einsetzte, goutiert die Telegram-Community überhaupt nicht.
Thomas Aeschi – Teil der «globalen Elite»
Der SVP-Fraktionsvorsitzende stellt in der Auswertung eine Ausnahme dar: Er muss als Bürgerlich-Konservativer Kritik einstecken. Anlass dafür ist sein Wirken am World Economic Forum (WEF), welches bei Telegram-Nutzer:innen verschiedentlich für Verschwörungsnarrative sorgt. 2014 wurde Thomas Aeschi vom WEF als «Young Global Leader» nominiert. Diese Nomination macht ihn für die Telegram-Community suspekt. Der «Grad der Fremdsteuerung» sei bei ihm unklar, so schreibt es die Gruppe «Verfassungsbündnis Schweiz». Was die Sache für die Telegram-Community nicht besser macht, ist die Tatsache, dass die deutsche Klima-Aktivistin Luisa Neubauer ebenfalls mit diesem Titel versehen wurde. Das Beispiel zeigt, dass auch Exponent:innen von bürgerlich-konservativer Seite auf Telegram zur Zielscheibe werden können.
Inhaltlich bewegen sich die Kanäle sehr stark um die Themenspektren Corona-Massnahmen, Impfungen und WHO (siehe dazu unser letztes #TelegramBriefing). Aber auch Themen wie Leugnung des Klimawandels oder Migration werden in den beobachteten Kanälen vermehrt diskutiert.
Häufig findet die Diskussion über diese Themen abseits des tagespolitischen Geschehens statt. Von den 211 Kanälen, die wir untersuchten, ist es nur ein kleiner Teil, der sich mit Tagespolitik oder Ereignissen wie den Eidgenössischen Wahlen beschäftigt. Die Covid-Referenden bilden hier eine Ausnahme – darüber wurde über sehr viele Kanäle Inhalte verbreitet und diskutiert.
Der Kanal «Attila der Kluge» ist einer der Kanäle, die regelmässig über Schweizer Politik berichten. Der Kanal ist mit rund 8000 Abonnent:innen im oberen Mittelfeld der reichweitenstärksten Deutschschweizer Kanäle. Er wird von einem Mann aus dem Umkreis Zürich betrieben, der sich dem Milieu der Freiheitstrychler zuordnen lässt. Zudem ist der Betreiber auf verschiedenen Fotos im Internet mit SVP-Parteigrössen zu sehen.
Eine weitere Person, die auffallend viel Inhalt über Schweizer Politiker:innen publiziert, nennt sich «Shipi». Der Kanal spricht vor allem auch Corona-Massnahmen kritische Personen an und fiel auch schon wegen antisemitischen Äusserungen auf. Unsere Daten zeigen, dass der Kanal Aufrecht-Kandidat:innen unterstützt und Nicolas Rimoldi von Mass-voll kritisiert.
Daneben sind es kleinere Kanäle wie «Verfassungsbündnis Schweiz» oder «WAHRHEIT_S_W» welche regelmässig Schweizer Politiker:innen erwähnen. Durch Kanäle mit grösserer Reichweite können die Inhalte kleiner Kanäle durch Reposts trotzdem ein grösseres Publikum erreichen.
Auch Alternativmedien wie «uncut_news», «Transition News», «Stricker TV» oder «Klagemauer TV» posten mehr oder weniger regelmässig Inhalte über Schweizer Politik.
Aufgrund des Themenspektrums und der Auswahl an Kanälen erstaunt es nicht, dass Gruppierungen wie Mass-voll und Aufrecht am meisten Aufmerksamkeit erhalten. 62 Prozent aller Erwähnungen von Nationalrats-Kandidierenden entfallen auf diese zwei Gruppierungen.
Die Parteien, die im Bundeshaus vertreten sind, machen 23 Prozent aller Erwähnungen aus. Die restlichen 14 Prozent entfallen auf sonstige Parteien und Gruppierungen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Telegram im Wahlkampf eine Rolle spielt – wenn auch eine untergeordnete. Aufgrund der Nutzungszahlen und Reichweiten-Messungen, die innerhalb des Messenger-Dienstes sichtbar sind, sind es doch mehrere Zehntausend Personen, die jeweils die Inhalten dieser Kanäle zu sehen kriegen – so auch die Inhalt über Politiker:innen, respektive Kandidierende für das Eidgenössische Parlament.
Die entsprechenden Beiträge beinhalten teilweise Wahlempfehlungen oder positiv konnotierten Inhalt über Politiker:innen – geltend für Gruppierungen und Parteien wie Mass-voll, Aufrecht, EDU und einzelne SVP-Exponent:innen. Linke oder Mitte-Politiker:innen werden weniger oft erwähnt – und wenn, dann meistens im Zusammenhang mit Kritik, Verunglimpfung oder Hetze.
Methodik und Hintergründe
Es ist das Ziel von FairmediaWATCH, die Entwicklung potenzieller Fehlinformationen in der Deutschschweiz zu verfolgen. Da Telegram als Plattform für den Austausch von Fehlinformationen eine zentrale Rolle spielt, werten wir Daten aus Telegram-Kanälen mit Schweiz-Bezug aus. Telegram-Kanäle sind öffentlich und Telegram-Nutzer:innen können ihnen ohne Einschränkung beitreten.
Gemäss einer Mediennutzungs-Analyse (2021) nutzen ca. 600’000 Personen Telegram in der Deutschschweiz mindestens gelegentlich als Messengerdienst. Laut einer Schätzung von SRF tauschen sich davon zwischen 50’000 und 70’000 Nutzer:innen, auf Telegram in «toxischen» Kanälen und Chat-Gruppen aus oder lesen zumindest die Inhalte mit. Ungefähr jede zehnte Person aus der Deutschschweiz hat also Telegram auf dem Handy installiert und etwa jede hundertste nutz das Programm um «toxische» Inhalte zu teilen oder zu lesen.
FairmediaWATCH analysiert so viele Telegram-Kanäle wie möglich. Für diese Auswertung die Inhalte von 211 Kanälen über den Zeitraum von einem Jahr (1.9.2022 bis 30.9.2023) untersucht. Dieser Datensatz beinhaltet 314’159 Telegram-Posts und 13’890’809 Reaktionen.
Die Auswahl der Telegram-Kanäle erfolgte aufgrund eines Stamms von rund 20 Kanälen, die dafür bekannt sind, falsche oder zumindest fragwürdige Informationen zu verbreiten. Diese Liste wurde dann mittels eines «Snowballing»-Verfahrens erweitert. Dabei schauen wir, welche anderen Kanäle in den von uns beobachteten Kanälen regelmässig erwähnt oder geteilt werden. Anschliessend überprüfen wir stichprobenartig die Qualität der darin veröffentlichten Informationen und ob der Kanal einen relevanten Bezug zur Schweiz hat. Basierend auf diesen Erkenntnissen entscheiden wir über eine Aufnahme in unsere Beobachtungsliste und erweitern diese so fortlaufend.
Die Namen der Kandidierenden stammen von «opendata.swiss», einem Gemeinschaftsprojekt von Bund und Kantonen. Die Daten enthalten keine Kandidierenden von Glarus, Uri und von Appenzell Innerrhoden und Appenzell Ausserrhoden. Die Namen dieser Kantone wurden von verschiedenen Quellen einzeln zusammengetragen.
Die Suche nach Kandidierenden in dem Datensatz erfolgte mit der Kombination von Vor- und Nachname. Doppelnamen wurden gekürzt. Mittelnamen, respektive zweite Vornamen wurden für die Suche weggelassen. Diese Erwähnung wurden gezählt und in Einzelfällen mit weiteren Suchbegriffen zu den Kandidierenden ergänzt.
Bei gewissen seltenen Vornamen wurde die Suche danach erweitert (zum Beispiel mit einer Suche nach «Rimoldi», oder «Glättli») und überprüft. Bei eindeutig zuordenbaren Wortkombinationen oder Wortschöpfungen wie zum Beispiel #JetzerNationalrat wurde erneut danach gesucht und die Ergebnisse überprüft.
Von diesen Ergebnissen wurden die 50 Kandidierenden mit den meisten Erwähnungen herausgesucht und die Beiträge mit Erwähnungen dieser 50 Kandidierenden zum Grossteil einzeln durchgesehen. Irrelevante und zum Teil auch doppelte Posts wurde gelöscht.
Für weitergehende Recherchen stellen wir unsere erhobenen Daten an dieser Stelle zur Verfügung:
(Publiziert am 4.10.2023, Tobias König und Jeremias Schulthess)