Ein Schweizer ruft auf Telegram zur Hinrichtung des Bundesrats und weiterer Personen auf. Dabei wird er von der QAnon-Bewegung beeinflusst.
Er schreibt, «wir machen euch jetzt alle fertig», der «Deep state» sei auszulöschen und man müsse die «gesamte Schweizer Regierung exekutieren». Solche Aufrufe kommen auf dem Nachrichtendienst Telegram ab und zu vor. Dass diese jedoch ein breites Publikum erreichen ist eher selten.
Die Nachrichten stammen vom Kanal des Schweizers T.M.* , der über 47.000 Abonnenten verfügt. Der Post mit dem Mordaufruf gegen den Bundesrat am 19. Mai wurde mittlerweile fast 50.000 Mal gesehen. Fairmedia beobachtet problematische Telegram-Kanäle mit Bezug zur Schweiz und wurde auf die Nachricht aufmerksam, da verschiedene Beiträge von T.M. diesen Monat besonders hohe Reichweiten erzielten.
Viele Inhalte bleiben unwidersprochen stehen
Die Telegram-Kanäle, die Fairmedia regelmässig auswertet, sind voll von Fehlinformationen, Hassrede und wirren Verschwörungstheorien. Das alles bleibt unwidersprochen stehen und erfährt mehr oder weniger viel Zuspruch. Viele Posts gehen in der Masse an Nachrichten unter, die eben dort verbreitet werden. Einzelne werden stark verbreitet, gehen «viral» und erreichen dadurch ein beachtliches Publikum.
Der Telegram-Account von T.M. zeigt exemplarisch, welche Gefahren gewisse Kanäle für das demokratische System haben können. Er ist dem verschwörungstheoretischen Spektrum und der QAnon-Bewegung zuzuordnen.
T.M. gibt sich selbst als John F. Kennedy aus, der durch die Zeit in die Gegenwart gereist ist, um gegen die «Nazi-jüdische satanische Kabale» zu kämpfen, die es sich zum Ziel gesetzt habe, die gesamte Menschheit zu vernichten. Er behauptet, von John F. Kennedy Junior und Donald Trump unterstützt zu werden.
Des Weiteren geht er davon aus, dass die von Trump ins Leben gerufene «Space Force» eine entscheidende Rolle im Kampf gegen diese Kabale spielt. Dies behauptet er in einer Nachricht, die zum Zeitpunkt, als dieser Beitrag verfasst wurde, bereits über 100’000 Mal angesehen wurde.
Nicht bloss ein einsamer Spinner
So abstrus seine Nachrichten auch erscheinen, zeigen die Zahlen, dass es sich bei T.M.. nicht um einen einsamen Spinner handelt. Sein Telegram-Kanal erfährt ständigen Zuwachs; alleine im letzten Monat sind mehr als 16’000 Subscriber hinzugekommen. Wer diese Subscriber sind, lässt sich nicht herausfinden. Es ist anzunehmen, dass diese sowohl aus dem gesamten DACH-RAUM, als auch aus den USA stammen, da viele seiner Nachrichten in Englisch verfasst werden. Seine Nachrichten weisen allerdings häufig einen Schweiz-Bezug auf.
Dass in toxischen Telegram-Kanälen offen zum Mord an Bundesräten aufgerufen wird, ist eine Eskalationsstufe, die ab und an erreicht wird. Dass solche Beiträge viral gehen, ist in diesem Fall besorgniserregend.
Das Fedpol ist sich der Gefahr bewusst
Das sieht auch das Fedpol so. Es hat Kenntnis von den erwähnten Gewaltaufrufen von T.M., wie die Behörde auf Anfrage von Fairmedia erklärt.
Das Fedpol ist unter anderem für den Schutz der Bundesrät:innen und Parlamentarier:innen zuständig, und beobachtet seit Ende der Corona-Massnahmen zwar weniger Drohmeldungen gegenüber ihren Schutzpersonen, aber die Gesamtzahl der Drohungen gegenüber der Vor-Corona-Zeit sei immer noch erhöht ist, schreibt der Medienverantwortliche.
So gäbe es «polarisierende Themen», die «emotionale Reaktionen von Bürgerinnen und Bürgern hervorrufen.» Diese Themen würden darüber hinaus «besonders in sozialen Netzwerken manchmal sehr emotional und ohne jeglichen wissenschaftlichen oder rationalen Bezug diskutiert. Was seit Beginn der Corona-Massnahmen bis heute anhält, ist der besorgniserregende Inhalt und gewaltvolle Ton dieser Drohungen.»
QAnon in der Schweiz
Die Inhalte von T.M. decken sich weitgehend mit der QAnon- Verschwörungstheorie aus den USA, die seit der Corona-Pandemie auch in der Schweiz Fuss gefasst hat. Er verwendet auch Abkürzungen, wie «WWG1WGA», was für «Where we go 1 we go all» steht. Ein Slogan der QAnon- Bewegung.
Misstrauen und Hass auf politische und gesellschaftliche Eliten sind typische Merkmale des QAnon-Narrativs. Die Erzählungen gehen so weit, dass Eliten Kinder verschleppen und satanisch missbrauchen würden. Während der Corona-Zeit sollen Schätzungen zufolge bis zu 200’000 Menschen in der Schweiz an mindestens einen Teil dieser Erzählung geglaubt haben. Mittlerweile hat die Zahl – auch wieder Schätzungen zufolge – abgenommen. Es gibt jedoch noch immer Anhänger. Beispielsweise ist im Raum Basel der Glaube an die Verschwörung noch stark. So wird behauptet, die Kesb würde Kinder stehlen, um diese dann an unterirdischen geheimen Orten zu foltern.
(Publiziert am 22.6.2024, Tobias König und Jeremias Schulthess)
Telegram-Monitoring FairmediaWATCH:
Gemäss einer Mediennutzungs-Analyse (2021) nutzen ca. 600’000 Personen Telegram in der Deutschschweiz mindestens gelegentlich als Messengerdienst. Laut einer Schätzung von SRF tauschen sich davon zwischen 50’000 und 70’000 Nutzer:innen, auf Telegram in «toxischen» Kanälen und Chat-Gruppen aus oder lesen zumindest die Inhalte mit. Ungefähr jede zehnte Person aus der Deutschschweiz hat also Telegram auf dem Handy installiert und etwa jede hundertste nutzt das den Messenger-Dienst um «toxische» Inhalte zu konsumieren oder zu teilen.
Wir messen in regelmässigen Abständen, welche Beiträge am meisten Personen erreichen, am meisten geteilt werden und am meisten Reaktionen erzeugen. Zudem beobachten wir die Subscriber-Zahlen der einzelnen Kanäle und berichten darüber, welche Kanäle am stärksten wachsen.
Ursprünglich basierte unsere Untersuchung auf einer Liste von rund 20 Kanälen, die dafür bekannt sind, falsche oder zumindest fragwürdige Informationen zu verbreiten. Diese Liste wurde dann mittels eines «Snowballing»-Verfahrens erweitert. Dabei schauen wir, welche anderen Kanäle in den von uns beobachteten Kanälen regelmässig erwähnt oder geteilt werden. Anschliessend überprüfen wir stichprobenartig die Qualität der darin veröffentlichten Informationen und ob der Kanal einen relevanten Bezug zur Schweiz hat. Basierend auf diesen Erkenntnissen entscheiden wir über eine Aufnahme in unsere Beobachtungsliste und erweitern diese so fortlaufend.